Die Landschaft wird etwas karger und unser Auto frisst sich geduldig über festen undauch manchmal schon sandigen Untergrund. Nach einiger Zeit hält Fanny kurz an und lässt gleichmäßig etwas Luft aus allen Reifen.
Nun biegen wir von der Straße endgültig ab und befahren nur noch dünnsandigen Boden. Die Farbe der Gegend wechselt in ein intensiveres Rot und vereinzelte Sandhügel tauchen auf in der Ferne. Unser Fahrzeug hält darauf zu.
Durch den verminderten Reifendruck haben wir einen optimalen Grip und fliegen nurso über den Untergrund. Mit Schwung schieben wir uns die Sandhügel hinauf und auf deranderen Seite wieder hinunter. Manchmal driften wir etwas seitlich bei der Abfahrt, aber wir haben eine Riesengaudi dabei. Professionell steuert Fanny, sie macht das anscheinend nicht zum ersten Mal und ich fühle mich absolut sicher mit ihr als Fahrerin.
Nach einiger Zeit halten wir an, um eine Rast einzulegen. Ich steige aus und sinke sofortbis zu den Waden in Sand ein. Die Hitze des Bodens ist durch die Schuhsohlen zu verspüren.
Den Wagen umrundend, öffne ich auf der anderen Seite die rückwärtige Tür, um Tamaraherauszuhelfen. Sie hatte schon die ganze Zeit kaum gesprochen und ihr Gesicht ist recht blass. Fanny verbleibt im Auto und studiert eine Karte.
“Na Schatz, du bist aber stille heute, so kenne ich dich gar nicht!“ Tami schaut mich gequält an. „Hast Du das ständige Auf und Ab nicht vertragen? Du steckst doch sonsteiniges weg !!“
Zur Antwort hält sie sich die Hand vor der Mund, dreht sich um und eilt zügig in eine abseits gelegene Mulde, in die man keine Einsicht hat.
Ich rufe ihr noch nach, dass sie wegen Schlangen oder Skorpionen im Sand vorsichtig sein soll, da ist sie auch schon verschwunden.
Es vergeht fast eine Viertelstunde bis sie wieder erscheint, und sich die Hände vor denBauch hält. „Du arme“, bedaure ich sie und nehme sie in den Arm, „ so schlimm?“
Sie legt ihren Kopf an meine Schulter und ich bringe sie wieder zum Fahrzeug. Dankbarschaut sie mich an, als ich ihr auf die Rückbank helfe. „ Ich glaube es ist besser, wir fahren wieder ins Hotel zurück, irgendetwas ist ihr nicht gut bekommen!“
Fanny schaltet sich ein: „Entweder hat sie das Frühstück nicht vertragen oder das Auf und Ab hier mit dem Auto oder beides, oder sie ist schwanger hahaha! Auf jeden Fall kenn ich ein ausgezeichnetes Mittel gegen Übelkeit, das ich jetzt aus der Pharmacy besorgen werde. Danach wird es ihr schnell wieder besser gehen.“
Schnell haben wir wieder die Straße gefunden, die wir jetzt in entgegengesetzter Richtung befahren und nach knapp einer Stunde halten wir vor der Apotheke. Fanny geht hinein und kommt bald darauf wieder mit einer Verpackung in der Hand heraus.
„Das nehm’ ich immer, wenn es mir mal nicht so gut geht“ drückt sie das Mittel Tami in die Hand. „Einfach kauen und runterschlucken“. Sofort öffnet Tami das Röhrchen, entnimmt eine große Tablette und tut wie ihr geheißen. Es muss ihr tatsächlich recht dreckig gehen.
Schnell sind wir wieder am Hotel angelangt und ich geleite Tamara fürsorglich bis inihr Bett und decke sie zu. Fanny hat sich zurückgezogen, ihr eine gute Besserung und mirein *wir telefonieren* zugerufen.
Irgendwie ist es im Raum zu kühl und ich stelle den Regler des Thermostats für dieKlimaanlage auf eine geringere Kühlleistung ein.
Tamara hat die Augen geschlossen und ihr regelmäßiger Atem verrät mir, dass sieeingeschlafen ist.
Leise schleiche ich mich in den Livingroom, hole mir ein Bier aus der Minibar und schalte den Fernseher an. Gemütlich auf der Couch räkelnd, zappe ich mich durch die zahlreichen Programme. Arabische Musik, Bauchtänze, Spielfilme und Werbung wechselt ab mit englischsprachigem.
Zusätzlich gibt es noch eigene Kanäle speziell sprachbezogen.
Auch mir fallen die Augen langsam zu und ich döse vor mich hin.
**********
Am nächsten Morgen stehen wir verabredungsgemäß an der hoteleigenen Anlegestelle am Strand.
Ein großes Boot mit drei starken Außenbordmotoren dümpelt, angeleint an einen Poller, in leichtem Wellengang vor sich hin. Es besitzt einen überdachten Aufbau und einen Niedergang mit anschließender geräumiger Kajüte. Ein Steg führt vom Ufer aus an Bord.
*Voltaire I* lese ich in großen, goldfarbenen Buchstaben auf dem schneeweißen Rumpf. Rechts und links kann ich Hochseeangeln entdecken, die fest in Halterungen stehen. Direkt daneben sind Sitze montiert, auf denen man sich anschnallen konnte. Ein Mann steht bereits im Aufbau am Ruder und spricht in ein Mikrofon in seiner Hand.
Wir begrüßen Fanny und Hamdan, der diesmal leichten Freizeitdress bevorzugte. „Welcome on Board my friends, how is it going??“ bedeutet er uns, auf das Boot zu steigen. Unsere Taschen festhaltend, schaukeln wir vorsichtig den Steg hoch und halten uns an dem seitlich angebrachten, dicken roten Tau fest, das von goldenen Stützen getragen wird. Hier jetzt ins Wasser zu fallen, wäre mehr als blamabel und würde uns sofort als blutige Landratten und Anfänger outen.
Fanny ist wohl schon öfter hier mitgefahren weil sie sich auskennt und uns anbietet, unsere Sachen unten in der Kajüte zu verstauen, damit sie hier oben nicht herumstehen und uns unter Umständen behindern. Alles sollte frei sein um Unfälle und *Mann über Bord* Manöver zu vermeiden. Notfalls wird es beim Fischen nämlich sehr hektisch, wenn z. B. ein Marlin an der Leine ist.
Über das blitzblank gewienerte Mahagoni-Deck gehen wir in Segelschuhen mit Fanny mit. Nachdem sie uns eingewiesen hat, zieht sie sich zurück und wir unsere Badesachen an, selbstverständlich helfe ich Tamara beim Schließen ihres Oberteils.
Dafür haucht sie mir wieder einen ihrer wohlschmeckenden Küsse auf den Mund.
Wir kommen noch nicht ganz dazu, unsere Decken auszubreiten, als bereits die Motoren nacheinander gestartet werden.
Leises, verhaltenes Wummern deutet auf ihre unbändige Kraft hin, nachdem kleine blaue Wolken aus den Auspuffrohren auch optisch vom Startvorgang zeugen.
Die Leine wird gelöst und der Steuermann beschleunigt dezent, aber sicher das Boot und richtet seinen Bug auf die offene See hinaus.
Das Wummern nimmt einen sonoren, tiefen Klang an, die Planken erzittern und die Geschwindigkeit erhöht sich. Fahrtwind weht um unsere Körper.
Tamara setzt sich auf und bittet mich, ihren Körper einzuölen. Natürlich folge ich ihrer Bitte nur allzu gerne, beschränke mich aber nur auf ihre Rückenpartie, sehr zu Tamis Bedauern. Aber wir wollen anwesende Moslems nicht kompromittieren oder ihre Religion beleidigen.
Ruhig folgt das Boot seinem vorgegebenen Kurs. Der Wellengang ist normal, nicht sehr hoch und wir genießen den Tag. Tami zeigt keinerlei Anzeichen von Seekrankheit und Ihre gestrige Übelkeit war wohl ein Zusammenspiel aus verschiedenen Vorkommnissen und damit bestimmt nur eine einmalige Angelegenheit
Unendlich erscheint das Blau des Himmels, das sich irgendwo in weiter Ferne mit dem Meer vermischt. Möwen ziehen kreischend ihre weiten Kreise um uns, wir sind nicht allzu weit vom Land entfernt, aber eine Küste können wir nicht mehr ausmachen.
Hamdan lässt die Motoren stoppen und zieht eine der enorm starken und langen Hochseeangeln aus der Halterung.
Er legt sich ihren Haltegurt um seinen Rücken herum und schnallt sich selbst imSessel an. Gekonnt zieht er das Gerät wie eine Peitsche von hinten durch die Luft und lässt den Köderfisch in weitem Bogen querab ins Wasser klatschen. Mittlerweile habe ich meinen Fotoapparat hervorgeholt und schieße unentwegt Bilder. Oft natürlich ist mein Hauptmotiv die anmutige Figur meines Schatzes. Sie ist sehr fotogen und lässt sich aus allen Blickwinkeln hervorragend ablichten. Ich nehme auch die kühne, verwegen aussehende Gestalt unseres Steuermannes ins Visier, zoome mir sein markantes Gesicht mit Bart heran und drücke den Auslöser.
Plötzlich ertönt das laute Surren der Spule der Angel. Hamdan hat Erfolg. Er rastet die Sperre ein und lässt den Fisch kämpfen. Immer wieder löst er sie und versucht, die Leine einzuholen, aber noch ist der Fisch stärker. Es muss ein starker Bursche sein, denn Hamdan hat Mühe, ihm Kontra zu bieten. Unser Steuermann und auch ich springen hinzu, um ihm im Kampf beizustehen. Wie ich jetzt erkennen kann, handelt es sich am anderen Ende der Leine um einen kapitalen Thunfisch, der verzweifelt versucht, sich aus seiner misslichen Lage zu befreien.
Diesmal ist es Tamara, die die Bilder einfängt, ich kann mich momentan nicht darum kümmern.
Wie lange wir gemeinsam gebraucht haben, bis der Tuna ermüdete und wir ihn an Bordholen konnten, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls war es sehr lange. Hamdan erlöst ihn von seinen Qualen und bricht den Fanghaken aus seinem offenen Maul. Er wird an seiner Schwanzflosse aufgehängt und anschließend ausgenommen.
Heute Abend würden wir gegrillten Thunfisch essen – ich freue mich schon auf diesesFestmahl.
Nachdem wir noch eine Runde im Golf schwammen, kommen wir über die hintere Steigleiter wieder ins Boot zurück, trocknen uns wegen des zu erwartenden Fahrtwindes ab und wechseln unsere Sachen.
Beim nächsten Mal werde ich einen Tauchgang mit Sauerstoffflaschen anregen, um die Unterwasserwelt an interessanten Stellen zu erkunden.
Mit trockenem Badezeug und Handtüchern über der Schulter setzen wir uns auf die im Heck befindliche, mit dicken Polstern und Kissen versehene Bank. Unsere Haare wehen im Wind, ich lege meine Arme um Tami und Fanny und wir schließen unsere Augen und genießen.
Etwa 1 km von der Anlegestelle des Voltaire entfernt, stellen wir die Motoren ab und schalten die Positionslichter ein. Dunkelheit senkt sich mittlerweile über See und Land herab, und wir lassen uns von den Wellen gemächlich schaukeln.
Die Bordbeleuchtung flammt auf und taucht das ganze Boot in einen golden schimmernden Schein. Über den Topp hinweg leuchten die Lämpchen, fast wie ein Miniatur-Luxusliner der Spitzenklasse, der im Hamburger Hafen vor Anker liegt. Wir müssen aus der Ferne phantastisch anzusehen sein!
Hamdan karrt persönlich einen großen Gasgrill heran und fungiert sowohl als Gastgeber, als auch als hervorragender Grillmeister, wie sich später herausstellt. Fanny zaubert bereits vom Hotel vorbereitete bunte und verschiedene Salate aus der Kajüte und das unvermeidbare, wohlschmeckende Fladenbrot.
Ergänzt wird das Ganze durch einen guten Champagner der Spitzenklasse, gut gekühlt in Eiskübeln, versteht sich. Die vorher zugeschnittenen Fischteile unseres Thunfischs wandern auf den Grill und Hamdan zaubert mit den Gewürzen.
Bald erfüllt ein wundervoller Grillduft die Luft, untermalt vom leisen Plätschern der Wellen, die sanft gegen den Rumpf des Bootes schlagen.
Es wird ein wundervoller Abend und es geht uns so gut wie selten zuvor. All die neuen Eindrücke, das ungewohnte auf dem Boot, das Flair der Nacht auf See im Freien mit lieber Begleitung und gutem Essen und Trinken, dazu geschmackvolle Musik aus den unsichtbaren Boxen – einfach Irre und kaum zu beschreiben. Erlebnis pur und ich könnte meine Zeit so immer verbringen, in dieser wundervollen innerlichen Stimmung. Und meiner Liebe im Arm. Herrlich.
Leider schreitet die Nacht viel zu schnell voran, es geht schon auf 4:00 a.m. zu, und der Steuermann entert wieder auf ans Ruder und lässt die Motoren an. Es dauert nicht mehr allzu lange und der Muezzin ruft wieder vom Minarett aus zum Gebet. Das Boot zieht einen eleganten weiten Bogen und beschleunigt seine Fahrt, bald liegen wir wieder Zuhause vor Ort und zurren es fest. Wir bedanken uns herzlich und umarmen unsere Gastgeber zum Abschied.
Müde und zufrieden begeben wir uns auf unser Zimmer und versuchen, noch für wenigstens ein paar Stunden die Augen zu schließen.